Category Archives: Kolumne

Über die russischen Steam-Spieler

Ich mag Statistiken – vor allem, wenn man Dinge daraus lesen kann, für die diese Statistik eigentlich nie gedacht war. Valve bietet mir da mit seiner monatlichen “Hardware Survey” eine schöne Möglichkeit, meinem “Hobby” nachzugehen.

Seit einiger Zeit studiere ich nun also mit großem Interesse diese Statistik, die auf den Auswertungen der Spiele-Plattform Steam basiert. Da die Umfrage optional ist und Valve keine Zahlen über die Anzahl der Teilnehmer angibt, ist die Repräsentativität natürlich zu hinterfragen. Da es aber Verschiebungen im Bereich von 0,01% gibt, darf davon ausgegangen werden, dass mehrere 10.000 User an dieser Umfrage teilnehmen. Bei einer aktiven Nutzerzahl im Millionen-Bereich nicht viel, aber immerhin.

Was natürlich viel Freude bereitet, ist es zu sehen, dass man sich mit der eigenen Hardware oft im oberen Prozent aufhält – Statistiken wie Betriebssystem, Software oder Sprache lässt man dann gerne außen vor.

Dabei ist gerade die Statistik über die Sprache die, die mir geholfen hat, der Lösung eines Rätsels etwas näher zu kommen.

Welche Sprache erwarten wir uns bei Steam-Nutzern auf Platz 1? Natürlich Englisch. Da gibt es keine Überraschung, denn es ist mit weitem Abstand (über 60%) tatsächlich Englisch. Dass aber im Januar Russisch auf Platz 2 war, hat mich dann doch etwas verwundert. Im Februar hat Deutsch zwar den zweiten Platz zurück erobert, aber auch Russisch hat gegenüber Englisch Prozentpunkte zugelegt.

Meine Frage war also: Wird in Russland einfach viel über Steam gespielt? Vermutlich ja, aber eine zweite Sache sollte hier auch beachtet werden: Die ominösen „russischen Steam-Keys“, die man in vielen Onlineshop zu einem günstigen Preis erwerben kann. Günstig insofern, als dass Steam-Spiele in manchen Ländern, darunter Osteuropa und eben auch Russland, grundsätzlich billiger zu bekommen sind als in Westeuropa.

Der Kauf dieser Keys ist relativ einfach, wie legal dieses Geschäft ist, sei dahin gestellt. Man zahlt online per Paypal oder Kreditkarte für ein Spiel und erhält per Mail einen direkt von der (russischen) DVD-Schachtel gescannten Key. Da Russland nicht im selben „Tier“ (Regionen-Unterteilung bei Steam) liegt wie Europa, muss der Key per russischen Proxy-Server aktiviert werden. Laut Anleitung auf diversen Seiten läuft das problemlos, teilweise bieten die Verkäufer der Keys sogar eigene Proxy-Software für die Aktivierung.

Endlich also 1 und 1 zusammen gezählt. Ein Großteil der „russischen Nutzer“ bei Steam sind also vermutlich russische Reseller, die diese Keys an (europäische) Käufer bzw. Spieler weiter verkaufen. Eine unbestätigte Theorie, aber immer erfrischend, das Gefühl zu haben, hinter Zahlen geblickt zu haben. Noch erfrischender ist aber das Gefühl, dass man nicht nur einen eingescannten Key besitzt, sondern einen, den man persönlich bei Steam oder im Laden um die Ecke erworben hat.

Hier gibt es mehr zu lesen:
http://steamunpowered.eu/
http://store.steampowered.com/hwsurvey/

von tomdotio – aus der Reihe “to whom it may concern”


tomdotio ist im Privatleben bekennender Geek und Simulations-Gamer und umgibt sich beruflich mit allerlei Hard- und Software.
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Simutrans – Open Source Spiel mit Erfolg

Kostenlos ein hochwertiges Spiel spielen – und noch dazu selbst frei über den Inhalt bestimmen? Open Source Spiele wie Simutrans machen das möglich. Über die Vor- und Nachteile, ein Spiel als Open Source zu entwickeln, und die Erfahrungen in dem langjährigen Prozess spricht mit mir Markus Pristovsek, Chefentwickler von Simutrans.

Markus „Prissi“ Pristovsek:
Familienvater und Dozent
an der Universität Berlin.
Programmieren: Eines seiner
zahlreichen kreativen Hobbys.

Inspiriert von Simcity und Transport Tycoon Deluxe begann Hans-Jörg „Hajo“ Malthaner 1997 mit der Entwicklung von Simutrans. Ursprünglich nur als privates Trainingsprojekt geplant, veröffentlichte Hans-Jörg  Malthaner auf Anfrage von Kollegen schließlich Simutrans als Freeware, später wurde es Open Source. 2004 übernahm Markus „Prissi“ Pristovsek als Chefprogrammierer das Projekt, „obwohl ich zu dem Zeitpunkt C++ nur aus Büchern kannte.“, wie Markus uns verrät.

Eines stellt Markus in kurzen Worten fest: Simutrans ist: „eine Transportnetzsimulation“, Simutrans ist nicht: „Simcity“. Waren wollen von einem Betrieb zum anderen geliefert werden, während sich das Lager füllt, Passagiere tummeln sich am Bahnsteig und warten auf den nächsten Zug und im Postlager stapeln sich schon die Briefe, weil der Lkw im Stau steckt. Das und mehr ist Simutrans. Bei Simutrans haben Waren und Passagiere nämlich auch ein bestimmtes Ziel, das wirkt sich auch auf den Spielablauf aus, wie Markus erklärt: „Im Vergleich zu dem einzigen anderen Konkurrenten (OpenTTD) ist Simutrans wesentlich langsamer, sowohl was den Zeitablauf angeht, wie auch der Spielerfolg. Bei Simutrans muss immer ein ganzes Netz oder eine ganze Industriekette versorgt werden, bevor es richtig an das große Geld geht.“

Comic-Graphikset (Quelle: simutrans.de)

Simutrans bleibt, was den Inhalt angeht, sehr flexibel. Über die verschiedenen Graphiksets und Addons kann nicht nur die Optik, sondern auch der Inhalt des Spiels stark verändert werden. Ob futuristisch, Comic-Look oder komplett gerendert in verschiedensten Auflösungen. Alles ist möglich, sogar länderspezifische Sets sind im Angebot.

Die internationale Community sorgt auch laufend für Nachschub, wie die Zahlen, die Markus uns nennt, belegen: „Allein auf den japanischen Seiten sind ca. 1000 Addons (bzw. eher 5000 wenn ich die Wagen einzelner Züge zähle.)“.  Geschätzt wurden über 50.000 Stunden ins das Projekt investiert, fast 1800 User sind im internationalen Forum aktiv und unterstützen die 25 Poweruser, die sogenannten Devotees.

Der Multiplayer-Modus, der dem Spiel vor einigen Monaten hinzugefügt wurde, kommt bei der Community gut an. „Das erschließt eine andere Nutzerschicht.“ meint Markus. Auch wenn sich Simutrans nicht über einen Mangel an Benutzern beschweren kann. Das Spiel wurde 2011 geschätzt 100.000-mal heruntergeladen, hinzukommen noch die Verbreitung über einige Linux-Distributionen. Simutrans spricht auch alle Altersgruppen an. „Unser ältester Nutzer müsste jetzt 87 Jahre sein, der jüngste war fünf …“ berichtet Markus, räumt aber auch ein, dass der Frauenanteil sehr gering ist: „der ist bei 5%

Industriegebiet (Quelle: simutrans.com)

Die Entwicklung als Open Source Software bringt Vor- und Nachteile mit sich. Der Hauptvorteil liegt für Markus klar auf der Hand: „Mehr Programmierer, mehr gefundenen Fehler“. Was Nachteile angeht meint er im Gegensatz: „Ich bin viel mehr damit befasst anderer Leute Beiträge zu begutachten und überarbeiten UND es gibt Branches, die von meiner Arbeit profitieren aber ich nicht notwendigerweise von ihrer“. „Das alles ist aber inhärent in Open Source“ schließt Markus  dieses Thema ab.

Pläne, mit Simutrans Geld zu machen gab es nie. „Dazu steckt zu viel ehrenamtliche Arbeit drin. Außerdem verbietet die Artistc License einen Verkauf (weswegen wir uns ja für die entschieden haben)“ erklärt uns Markus.

Auf dem Weg zum heutigen Erfolg gab es aber auch Tiefpunkte: „Zweieinhalbmal haben wir das Forum verloren, weil die Datenbank so kaputt war, dass kein Backup mehr ging.“ betrauert Markus die Frage zum Thema >größter Ruckschlag<. Der Erfolg wiegt das aber definitiv auf: „Dass es auch nach Jahren noch lebt und gedeiht. Und dass wir aktiv aus Japan, China, Deutschland, Kanada und den USA aktuell zusammen programmieren ist auch toll.

Bahnhofsgebäude (Quelle: simutrans.com)

Was die Entwicklung angeht, ist Simutrans für Markus „ziemlich fertig“, aber es stehen auch noch Verbesserungen an: „Intelligenteres Routing von Passagieren, d.h. wenn es zwei oder mehr Wege zum Ziel gibt, diese entsprechend ihrer “Attraktivität” nutzen. Ein Modus, der geskriptete Szenarien (und vielleicht irgendwann auch mal KIs) ermöglicht“ . Hingegen nie den Weg ins Spiel finden werden negative Elemente wie: „Kriegselemente, Unglücke, Erdbeben“.

Die Motivation hat Markus auch noch, was ihm fehlt ist die Zeit: „Ich habe zwei Kinder, Familie und mehr und mehr Verantwortung für Diplomanten und Doktoranden an der Uni. Da bleibt einem weniger Zeit und irgendwann wird es sicher nicht genug sein.“. Das Projekt ist laut Markus aber nicht gefährdet: „Zur Zeit läuft es auch mit mir mehr und mehr im Hintergrund hervorragend.“

Simutrans, ein tolles Spiel, welches mich persönlich auch schon süchtig gemacht hat und mich oft stundenlang an den Computer fesselt. Dennoch möchte ich mich zum Abschluss der Antwort von Markus auf meine Frage, was er denn den Simutrans-Spielern und letssim-Lesern mitteilen will, anschließen: „Geht raus, lest ein Buch- nicht am Computer, genießt das Leben (oder Abschalten, wie Peter Lustig sagte). Carpe diem.“

Weiterlesen:

simutrans.desimutrans.comHomepage von Prissi

Dieser Artikel ist Teil eines Testvideos zum Spiel Simutrans:
Teile 1: http://www.youtube.com/watch?v=ef5A1739jso
Teile 2: http://www.youtube.com/watch?v=q061lSa7dZc

von tomdotio – aus der Reihe “Let’s Check”


tomdotio ist im Privatleben bekennender Geek und Simulations-Gamer und umgibt sich beruflich mit allerlei Hard- und Software.
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Castle Story und das Beta-Phänomen

Für eine Beta eines Spiels zahlen – oder sogar für eine Alpha? Da hätte ich gemeint: „Nie im Leben! „ … bis vor kurzem – oder besser gesagt: Bis vor Minecraft.

Was kreative und moderne Finanzierung angeht, da hat Minecraft einiges vorgemacht. Markus Persson, der Erfinder von Minecraft, hat Millionen Menschen dazu gebracht, was ich bis vor einiger Zeit für unmöglich gehalten hätte, nämlich für das Beta-Testen zu zahlen. In Aussicht gestellt wird einem dabei im Gegenzug, gegen Einmalzahlung, eine lebenslange Lizenz und lebenslange Updates bis hin zur Vollversion und darüber hinaus.

Project Zomboid macht das zur Zeit nach. Das Spiel ist noch in der Alpha-Phase, kann aber bereits gekauft werden. Wie bei Minecraft wird der Preis nach und nach bis zur Vollversion erhöht.

Lohnt sich das für den Spieler und das (Indie)-Studio? Ich finde ja. Zum einen spart sich der Spieler dank der lebenslangen Lizenz als Früheinsteiger – z.B. in der Alpha-Phase – ein paar Euro und zum anderen hat das Studio bereits während der Entwicklung Geld, was das Überleben professioneller Indie-Studios sehr erleichtert.

Der Spiel-Spaß kommt aber auch nicht zu kurz. Das Spiel wird in den Vermarktungsmodellen, wie sie Minecraft oder Project Zomboid verwenden, nämlich nicht nur wieder und wieder durch den Bugfix-Prozess gejagt, oft viel wichtiger sind die neuen Spielelemente und -inhalte, die laufend dazu kommen. Für den Spieler ergibt sich so das Gefühl, laufend etwas neues entdecken zu können und für das Studio wiederrum ist es die beste Qualitätssicherung, die man haben kann, Tausende oder bis Millionen von Spieler auf das unfertige Spiel loszulassen. Weil, wer bezahlt hat, legt auch ein ganz anderes Spielverhalten an den Tag als wie man es bei Open- oder Closed-Beta-Testern beobachten kann. Kein Wunder, wird man auch nicht alle 15 Minuten mit einem 2-seitigen Fragebogen genervt, sondern bringt von sich aus die Motivation mit, Bugs und Feature-Wünsche an die Entwickler zu melden. Man fühlt sich mehr als Teil des Projektes und weniger als Tester.

Um dem Titel dieses Beitrags noch gerecht zu werden: In letzter Zeit sehe ich, speziell am Beispiel Castle Story, dass Indie-Studios noch einen Schritt weiter gehen könnten. Von Castle Story gibt es noch keine spielbare Version zum Download oder Kauf, nur ein Video einer frühen Alpha-Version. Wie eine Reihe von Tweets sowie Blogeinträge zeigen, wird das Spiel sehnlichst erwartet und viele Leute würden schon vorab ihr Geld dafür geben. Plattformen wie Kickstarter zeigen auch, dass Vorfinanzierung bzw. Zusage von Mitteln funktionieren kann.

Hier findet gerade eine sehr spannende Entwicklung auf dem Spielemarkt statt und die längst verloren geglaubten „goldenen Zeit“ der 90er Jahre, in denen kleine Teams geniale Spiele programmiert haben kommt gerade wieder.

Weiterlesen:

MinecraftProject ZomboidCastle StoryKickstarter

von tomdotio – aus der Reihe “to whom it may concern”


tomdotio ist im Privatleben bekennender Geek und Simulations-Gamer und umgibt sich beruflich mit allerlei Hard- und Software.
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To whom it may concern: Wo bleibt der Multicore-Patch?

Wer heute einen Computer kauft, bekommt fast immer ein Gerät, in dessen Prozessor nicht nur ein, sondern zwei oder vier, manchmal sogar sechs oder mehr Kerne – sogenannte „Cores“ -schlummern. Spiele verwenden aber oft nur einen dieser Kerne, sind also „Single Core Applikationen“. Warum ist das so und warum ändert sich da nichts?

In letzter Zeit werde ich oft gefragt: „Wo bleibt der Multicore-Patch für …“. Was hier gefragt wird erschließt sich vielleicht aus den Einleitungsworten. Wann wird das Spiel dahingehend ausgebessert, also gepatcht, um mehrere Kerne zu nutzen und nicht nur einen, also zur „Multi-Core Applikation“ umfunktioniert? Bei vielen Spielen, speziell Wirtschaftssimulationen, würde das nämlich auch Sinn machen. Diese Spiele haben nämlich selten eine sehr aufwendige Graphik, dafür aber komplexe Berechnungen, die in Echtzeit ablaufen. Börsenkurse, Verkehrsstaus, Computergegner und vieles mehr. Mehr Kerne würde da bedeuten: Mehr Möglichkeiten, größere Karten und Welten, mehr Gegner, größere Städte und so fort.

Meine Antwort auf die Frage „Wo bleibt der Patch?“ ist in den meisten Fällen relativ einfach: „Vermutlich nie“.

Um zu verstehen, dass es nicht genügt ein paar Schalter in der Software umzulegen, sprich ein paar Zeilen im Quellcode zu verändern, muss man kein Programmierer sein. Wenn ich Freunden, die den Computer als reine Nutzer kennen, erklären will, warum es so schwer ist „das einfach umzustellen“, nutze ich gerne folgendes Beispiel:


Stell Dir vor, Du musst alleine etwas zusammenbauen, z.B. ein Möbelstück und das dauert 1 Stunde. Das hast Du schon sehr oft gemacht und kennst Dich gut aus. Das Werkzeug ist vorhanden, Du hast genug Platz und die Abläufe, also wie ist die Reihenfolge, sind klar: Schraube, Brett, Regal, Rückwand, Türen und so weiter.

Eines Tages aber beschließt Du: Es soll in 15 Minuten erledigt sein statt in einer Stunde und Du lädst Dir 3 Freunde ein, um die Arbeit zu teilen. Ihr stellt fest: So einfach ist die Sache plötzlich gar nicht mehr – ihr müsst euch das Werkzeug teilen, das nicht 4 mal, sondern 1 mal vorhanden ist, ihr braucht auch mehr Platz und bei den Abläufen kommt alles durcheinander:  Zum Beispiel gehen die Regale nicht mehr in den Kasten, weil jemand die Türen schon angeschraubt hat.

Und nächstes Mal machst Du es doch wieder alleine. Dauert länger, ist aber einfacher.


Um das jetzt auf die Welt der Prozessoren umzumünzen: Die einzelnen Kerne müssen wie im Beispiel oben wissen, wer sich gerade um was kümmert, sich Werkzeuge bzw. Ressourcen wie Speicher und Graphikkarte teilen und wenn ein Kern auf den anderen wartet, kann die gewonnen Zeit schnell wieder verloren gehen. Es ist sehr schwer, ein optimales Konzept zu erstellen, ohne vorher zu wissen wie viel „Freunde mithelfen”.

Es ist natürlich nicht unmöglich, für Multicore zu programmieren. Aber es ist ein komplexes Thema und erfordert ganz andere Abläufe und Strukturen. Software, wie eben ein Spiel, muss dafür komplett neu geschrieben werden, darum wird es fast nie den ersehnten „Multicore-Patch“ geben.


von tomdotio – aus der Reihe “to whom it may concern”


tomdotio ist im Privatleben bekennender Geek und Simulations-Gamer und umgibt sich beruflich mit allerlei Hard- und Software.
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