Simutrans – Open Source Spiel mit Erfolg

Kostenlos ein hochwertiges Spiel spielen – und noch dazu selbst frei über den Inhalt bestimmen? Open Source Spiele wie Simutrans machen das möglich. Über die Vor- und Nachteile, ein Spiel als Open Source zu entwickeln, und die Erfahrungen in dem langjährigen Prozess spricht mit mir Markus Pristovsek, Chefentwickler von Simutrans.

Markus „Prissi“ Pristovsek:
Familienvater und Dozent
an der Universität Berlin.
Programmieren: Eines seiner
zahlreichen kreativen Hobbys.

Inspiriert von Simcity und Transport Tycoon Deluxe begann Hans-Jörg „Hajo“ Malthaner 1997 mit der Entwicklung von Simutrans. Ursprünglich nur als privates Trainingsprojekt geplant, veröffentlichte Hans-Jörg  Malthaner auf Anfrage von Kollegen schließlich Simutrans als Freeware, später wurde es Open Source. 2004 übernahm Markus „Prissi“ Pristovsek als Chefprogrammierer das Projekt, „obwohl ich zu dem Zeitpunkt C++ nur aus Büchern kannte.“, wie Markus uns verrät.

Eines stellt Markus in kurzen Worten fest: Simutrans ist: „eine Transportnetzsimulation“, Simutrans ist nicht: „Simcity“. Waren wollen von einem Betrieb zum anderen geliefert werden, während sich das Lager füllt, Passagiere tummeln sich am Bahnsteig und warten auf den nächsten Zug und im Postlager stapeln sich schon die Briefe, weil der Lkw im Stau steckt. Das und mehr ist Simutrans. Bei Simutrans haben Waren und Passagiere nämlich auch ein bestimmtes Ziel, das wirkt sich auch auf den Spielablauf aus, wie Markus erklärt: „Im Vergleich zu dem einzigen anderen Konkurrenten (OpenTTD) ist Simutrans wesentlich langsamer, sowohl was den Zeitablauf angeht, wie auch der Spielerfolg. Bei Simutrans muss immer ein ganzes Netz oder eine ganze Industriekette versorgt werden, bevor es richtig an das große Geld geht.“

Comic-Graphikset (Quelle: simutrans.de)

Simutrans bleibt, was den Inhalt angeht, sehr flexibel. Über die verschiedenen Graphiksets und Addons kann nicht nur die Optik, sondern auch der Inhalt des Spiels stark verändert werden. Ob futuristisch, Comic-Look oder komplett gerendert in verschiedensten Auflösungen. Alles ist möglich, sogar länderspezifische Sets sind im Angebot.

Die internationale Community sorgt auch laufend für Nachschub, wie die Zahlen, die Markus uns nennt, belegen: „Allein auf den japanischen Seiten sind ca. 1000 Addons (bzw. eher 5000 wenn ich die Wagen einzelner Züge zähle.)“.  Geschätzt wurden über 50.000 Stunden ins das Projekt investiert, fast 1800 User sind im internationalen Forum aktiv und unterstützen die 25 Poweruser, die sogenannten Devotees.

Der Multiplayer-Modus, der dem Spiel vor einigen Monaten hinzugefügt wurde, kommt bei der Community gut an. „Das erschließt eine andere Nutzerschicht.“ meint Markus. Auch wenn sich Simutrans nicht über einen Mangel an Benutzern beschweren kann. Das Spiel wurde 2011 geschätzt 100.000-mal heruntergeladen, hinzukommen noch die Verbreitung über einige Linux-Distributionen. Simutrans spricht auch alle Altersgruppen an. „Unser ältester Nutzer müsste jetzt 87 Jahre sein, der jüngste war fünf …“ berichtet Markus, räumt aber auch ein, dass der Frauenanteil sehr gering ist: „der ist bei 5%

Industriegebiet (Quelle: simutrans.com)

Die Entwicklung als Open Source Software bringt Vor- und Nachteile mit sich. Der Hauptvorteil liegt für Markus klar auf der Hand: „Mehr Programmierer, mehr gefundenen Fehler“. Was Nachteile angeht meint er im Gegensatz: „Ich bin viel mehr damit befasst anderer Leute Beiträge zu begutachten und überarbeiten UND es gibt Branches, die von meiner Arbeit profitieren aber ich nicht notwendigerweise von ihrer“. „Das alles ist aber inhärent in Open Source“ schließt Markus  dieses Thema ab.

Pläne, mit Simutrans Geld zu machen gab es nie. „Dazu steckt zu viel ehrenamtliche Arbeit drin. Außerdem verbietet die Artistc License einen Verkauf (weswegen wir uns ja für die entschieden haben)“ erklärt uns Markus.

Auf dem Weg zum heutigen Erfolg gab es aber auch Tiefpunkte: „Zweieinhalbmal haben wir das Forum verloren, weil die Datenbank so kaputt war, dass kein Backup mehr ging.“ betrauert Markus die Frage zum Thema >größter Ruckschlag<. Der Erfolg wiegt das aber definitiv auf: „Dass es auch nach Jahren noch lebt und gedeiht. Und dass wir aktiv aus Japan, China, Deutschland, Kanada und den USA aktuell zusammen programmieren ist auch toll.

Bahnhofsgebäude (Quelle: simutrans.com)

Was die Entwicklung angeht, ist Simutrans für Markus „ziemlich fertig“, aber es stehen auch noch Verbesserungen an: „Intelligenteres Routing von Passagieren, d.h. wenn es zwei oder mehr Wege zum Ziel gibt, diese entsprechend ihrer “Attraktivität” nutzen. Ein Modus, der geskriptete Szenarien (und vielleicht irgendwann auch mal KIs) ermöglicht“ . Hingegen nie den Weg ins Spiel finden werden negative Elemente wie: „Kriegselemente, Unglücke, Erdbeben“.

Die Motivation hat Markus auch noch, was ihm fehlt ist die Zeit: „Ich habe zwei Kinder, Familie und mehr und mehr Verantwortung für Diplomanten und Doktoranden an der Uni. Da bleibt einem weniger Zeit und irgendwann wird es sicher nicht genug sein.“. Das Projekt ist laut Markus aber nicht gefährdet: „Zur Zeit läuft es auch mit mir mehr und mehr im Hintergrund hervorragend.“

Simutrans, ein tolles Spiel, welches mich persönlich auch schon süchtig gemacht hat und mich oft stundenlang an den Computer fesselt. Dennoch möchte ich mich zum Abschluss der Antwort von Markus auf meine Frage, was er denn den Simutrans-Spielern und letssim-Lesern mitteilen will, anschließen: „Geht raus, lest ein Buch- nicht am Computer, genießt das Leben (oder Abschalten, wie Peter Lustig sagte). Carpe diem.“

Weiterlesen:

simutrans.desimutrans.comHomepage von Prissi

Dieser Artikel ist Teil eines Testvideos zum Spiel Simutrans:
Teile 1: http://www.youtube.com/watch?v=ef5A1739jso
Teile 2: http://www.youtube.com/watch?v=q061lSa7dZc

von tomdotio – aus der Reihe “Let’s Check”


tomdotio ist im Privatleben bekennender Geek und Simulations-Gamer und umgibt sich beruflich mit allerlei Hard- und Software.
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